Rede - Friedenswache in Mosbach

Veröffentlicht am 24.09.2023 in Europa

Auf der Suche danach, was die russische Bevölkerung vom Krieg in der Ukraine hält, bin ich auf einen Bericht des Moskauer Soziologen Greg Yudin gestoßen. Einige Punkte seiner Ausführungen als Insider möchte ich wiedergeben, denn sie zeigen uns auch eine überaus menschliche Seite.

Für ihn ist die Gesellschaft in Russland tief gespalten. Das Interesse an Politik ist gering und der Krieg wird meist als etwas wahrgenommen, das von außen kommt und gegen den man nichts unternehmen kann.

Eine überschaubare Gruppe unterstützt den Krieg. Das sind Menschen, die dem Militär nahestehen. Es sind einerseits Ältere - nur dass deren Kinder und nicht sie selbst in den Krieg ziehen. Und es sind die Reichen, die einfach die Armen schicken. Es gibt zudem finanzielle Anreize, zum Militär zu gehen und die meisten Rekruten haben noch nie so viel Geld verdient wie in der Armee - auch wenn sie sich bewusst sind, wahrscheinlich dafür zu sterben. Die Ortschaften, aus denen sie kommen, sind oft trostlos. Angst, Orientierungslosigkeit und die Chancen auf Aufstieg treiben sie zum Militär - und das funktioniert.

Eine zweite Minderheit empfindet den Krieg als nicht gerechtfertigt und betrachtet ihn als fatalen Fehler, der viel Leid über Russland bringen wird.

Und die dritte Gruppe von Menschen versucht den Krieg zu verdrängen. Wahrscheinlich die Mehrheit.

Die große Menge der unpolitischen Menschen resultiert daraus, dass sie keine Möglichkeit sehen, politisch handeln zu können oder Ereignisse beeinflussen zu können zugunsten von Gemeinschaftlichkeit und Solidarität. Denn jede Form kollektivsten politischen Handelns wird unterdrückt - die Menschen ziehen sich zurück und versuchen, sich um sich, ihre Familie und das alltägliche Leben zu kümmern.

Auf die Frage, wie zerbrechlich Russland ist, antwortet Yudin:

Es ist ein sterbendes Reich, denn es kann den Menschen nichts bieten, außer das Hirngespinst, die Sowjetunion wieder erstehen zu lassen.

Wie aber kann der Krieg beendet werden? Darauf antwortet er: Einerseits geht es in dem Krieg um die Frage, ob die Ukraine ein souveräner Staat sei. Und Putin verschanzt sich hinter der Behauptung, dass die Ukraine überhaupt nicht existiere. Verhandlungen und die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen beiden Ländern sind daher notwendig und unumgänglich. Für Greg Yudin hat es Selenskyj jedoch sehr klar formuliert: „Mit dieser Führung im Kreml wird es keine Verhandlungen geben. Aber mit der nächsten russischen Regierung schon“.

Und so sieht es ganz danach aus, dass dieser Krieg weiter eskalieren wird, um das russische Reich wiederherzustellen und die Länder, einschließlich Ostdeutschland, wieder in die russische Einflusssphäre zurückzubringen. Es ist ein Krieg gegen den Westen, gegen die Nato.

Und das muss uns weiterhin Auftrag sein, Menschen auch bei uns wachzurütteln, zusammenzustehen und Menschen zu unterstützen, die eine friedlichere Welt ersehnen und möglich zu machen versuchen.

Greg Yudin sieht die Fehler unserer Politik darin, nicht mit der russischen Gesellschaft, sondern mit den herrschenden Eliten, auch die in Wirtschaft und Politik, zusammengearbeitet -und die Sicherheit für Europa für Deals über Energieressourcen hergegeben zu haben.

Es braucht die Kommunikation von Mensch zu Mensch, es braucht mehr Interaktion, mehr Engagement, mehr Beteiligung - von vielen. Wenn Menschen die Möglichkeit haben, ein anderes Land kennenzulernen, beflügelt es die Phantasie für ein besseres Zusammenleben und nicht dazu, einer alternativlosen Zukunft entgegenzusehen. Dieser Tage war der Presse zu entnehmen, dass weiterhin ausländische Studierende – auch aus Russland – ein Stipendium an deutschen Universitäten bekommen können. 

Daher lassen Sie uns immer wieder versuchen, zu den Menschen vorzudringen - auch hier vor Ort, damit sie nicht einseitiger Propaganda und einer vereinfachten Weltsicht glauben. Es sind diese wichtigen Schritte, die wir nach 18 Monaten zu gehen haben. Das gebe ich Ihnen, uns mit den Worten von Greg Yudin mit auf den Weg.

Dr. Dorothee Schlegel

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