Rede zur Mahnwache in Mosbach

Veröffentlicht am 09.04.2023 in Reden/Artikel

In Erinnerung bringen möchte ich uns eine Frau, die im 19. Jahrhundert eine Visionärin für die Notwendigkeit des Friedens war: Bertha von Suttner. Sie glaubte unbeirrbar an diese Friedensnotwendigkeit und warnte, leider vergeblich, vor der drohenden Kriegsgefahr des 1. Weltkriegs, den sie jedoch nicht mehr miterleben musste.

Bertha von Suttner war die erste Frau, die 1905 den Friedensnobelpreis erhielt. Sie hatte 1889 einen bahnbrechenden und unter die Haut gehenden Antikriegsroman geschrieben mit dem Titel: „Die Waffen nieder“, dem in rascher Folge Ausgaben in sämtlichen europäischen Sprachen folgten.  

Das Buch schildert das Leben einer aus Wien stammenden Gräfin im Kontext von vier Kriegen innerhalb weniger Jahre – fast unvorstellbar für uns, die wir seit 78 Jahren im Frieden leben. Im Krieg von 1859 zwischen Österreich, Sardinien und Frankreich verliert sie mit 19 Jahren ihren ersten Mann und wird daraufhin zur überzeugten Pazifistin. Ihr zweiter Mann teilt ihre Ansichten, obwohl er mit der Österreichischen Armee am Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 und am Deutschen Krieg im Jahr 1866 teilnimmt. Ihre Schwestern und ihr Bruder sterben an den Folgen der durch den Krieg bedingten Cholera, ihr Vater stirbt aus Gram über den Verlust seiner Kinder. Ihr Mann wird 1870 bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges in Paris wegen des Verdachts, ein preußischer Spion zu sein, standrechtlich erschossen.

Bertha von Suttner wählte bewusst die Romanform anstelle eines Sachbuchs, um auf diese Weise ein breites Publikum erreichen zu können. Ihr Buch war so populär, da sie neben der Frage von Krieg und Frieden auch die Rolle der Frauen in der Gesellschaft thematisierte. Nicht soldatische Heldentaten standen im Vordergrund, sondern menschliches Leid.

Bis zu Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ galt es als das wichtigste Werk der Antikriegsliteratur und wurde bis 1905 in 37 Auflagen allein im deutschsprachigen Raum gedruckt. 1914 in Dänemark verfilmt, jedoch fand die Premiere erst 1924 in den USA statt. 1952 wurde er erneut verfilmt.

Wer war nun diese Frau?

Bertha wurde 1843 in Prag geboren. Ihr Vater, ein bereits 75-jähriger Generalleutnant, starb noch vor ihrer Geburt. Mit Mutter und Vormund verlebte sie ihre Kindheit in Brünn, lernte Sprachen, Gesang und Klavierspiel. Ihre Jugend verbrachte sie in Wien. Verlobungen schlug sie aus, denn sie wollte als Sängerin Karriere machen – aber erfolglos.

Mit 30 Jahren nahm sie eine Stelle als Gouvernante für die vier halb erwachsenen Töchter des Freiherrn von Suttner an. Den jüngsten Sohn der Familie heiratete sie später heimlich, war jedoch zuvor für kurze Zeit Sekretärin und Hausdame von Alfred Nobel in Paris. Die Freundschaft zu ihm hielt an – und bewirkte letztendlich die Stiftung des Friedensnobelpreises.

Das Ehepaar Suttner verdiente seinen Lebensunterhalt auch mit journalistischen Alltags- und Kriegsberichten für deutsche und österreichische Zeitungen, weitab im Kaukasus, bevor sie 1885 zurück nach Wien zogen. Mit ihrem Buch „Die Waffen nieder“, das sie nicht wie viele vorangegangene Texte unter Pseudonym veröffentlichte, wurde sie fast über Nacht berühmt und der Mittelpunkt der europäischen Friedensbewegung.

Sie war davon überzeugt, dass Konflikte zwischen Nationen nicht durch Krieg, sondern durch Verhandlungen und internationale Schiedsgerichte gelöst werden können. Nobel rühmte sie als die Frau, die „dem Krieg den Krieg erklärte“.

Da Frauen zu dieser Zeit nur über Vereine gesellschaftspolitisch tätig werden konnten, wurde sie 1891 Präsidentin der im selben Jahr gegründeten österreichischen Friedensgesellschaft. Sie nahm Ende 1891 an der dritten Internationalen Friedenskonferenz in Rom teil und hielt als einzige Frau dort im Kapitol eine Rede. Sie engagierte sich in vielen Ländern für die Friedensidee und wurde als „Friedensbertha“ quasi zur moralischen Friedensinstanz.

Der frühe Tod ihres Mannes war für sie eine schwere Zäsur. Sie hielt sich jedoch an sein Vermächtnis, sich weiterhin für das „Besserwerden der Welt“ einzusetzen. Sie nahm an der Eröffnung eines Friedensinstituts in Monaco teil, fuhr zum Weltfriedens-kongress nach Boston und war bei Präsident Roosevelt 1904 zu einem Gespräch. Die Verleihung des Friedensnobelpreises 1905 war die Krönung ihres jahrzehntelangen Einsatzes für den Frieden.

1912 unternahm sie eine monatelange Vortragsreise durch 50 amerikanische Städte und wurde als „angel of peace“ gefeiert. Obwohl ihr Amerika als friedensfähiger erschien, kehrte sie nach Europa zurück. Mit ihren Broschüren „Rüstung und Überrüstung“ und „Die Barbarisierung der Luft“ warnte sie eindringlich vor einem nahenden Weltkrieg. Zunehmend resignierte sie jedoch, da sie bemerkte, wie das Interesse und die Bedeutung der Friedensvereine stetig abnahm und der Krieg fast schon in der Luft lag.

5 Wochen vor Ausbruch des Krieges starb sie am 21. Juni 1914.

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Was bleibt?

Es ist wichtig, um solche Vorbilder zu wissen. Es ist mindestens genauso wichtig, die Bedeutung von Friedensveranstaltungen wie diese hier vor Ort lebendig zu halten. Denn Rüstung und Überrüstung, Auf- und Nachrüstung oder Gleichgewichte des Schreckens sind geblieben. Und die „Barbarisierung der Luft“ hat bedrohliche Ausmaße angenommen.

Aber und das ist mir ein Anliegen auszusprechen: wir leben in einer Zeit der Unsicherheit – seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine noch deutlicher als 2015 und den darauffolgenden Jahren, als Menschen, die vor dem Krieg, vor Hunger und Angst aus ihrer Heimat geflohen und in ein ziemlich friedliches Europa, nach Deutschland und hier in unsere Orte gekommen sind.

Wir haben vielleicht auch verlernt, Frieden zu schließen? Ich hoffe nicht deshalb, weil Frieden langweilig sei und keine Schlagzeilen bringe. Möglicherweise haben wir verlernt, dass Frieden nicht gemacht oder erkämpft werden kann, sondern gestiftet werden muss. Es bedarf nicht nur eines Friedensvertrags, der quasi vom Himmel fällt und den die ehemaligen Kriegsteilnehmer nur einfach unterschreiben. Es braucht einen gesteuerten Friedensprozess, der schrittweise zur Deeskalation der Gewalt führt.

Wie das geht? Indem man miteinander ins Gespräch kommt und indem man im früheren Gegner ein Gegenüber entdeckt. Indem wir nicht, wenn wir über den richtigen Weg zum Frieden ringen, mit Worten gegeneinander Krieg führen. Zumindest diese rhetorischen Waffen können wir jederzeit niederlegen und so der Friedensbertha folgen.

Dr. Dorothee Schlegel (Kreisvorsitzende)

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