Rückblick über jüdisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis stieß auf viel Interesse

Veröffentlicht am 24.01.2014 in Arbeitsgemeinschaften

Reinhart Lochmann referierte bei der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus
Neckar-Odenwald-Kreis

In regelmäßigen monatlichen Treffen greift innerhalb des SPD-Kreisverbandes Neckar-Odenwald die Arbeitsgemeinschaft der Seniorinnen und Senioren (AG 60plus) immer wieder Themen auf, von denen sie glaubt, dass sie bei vielen Mitgliedern, Sympathisanten und parteilich ungebundenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf Interesse stoßen werden. Dass die Vorstandschaft der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus um Wilfried Nies und Hildgund Beichert mit dem Thema „Jüdische Kultur im Neckar-Odenwald-Kreis bis 1940“ auf ein sehr großes Publikumsinteresse stieß, zeigte der gute Besuch aus dem gesamten Kreisgebiet und weit über die Mitglieder der SPD-Arbeitsgemeinschaft hinaus.
Der AG-Vorsitzende Wilfriede Nies konnte unter den Gästen die Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Heide Lochmann, den früheren SPD-Landtagsabgeordneten Gerd Teßmer und als besonderen Kenner des angekündigten Themas Reinhart Lochmann aus Adelsheim begrüßen. Der Referent stellte zunächst eine erst in jüngster Zeit etwas größer gewordener Zahl von Fachliteratur vor; hatte man doch die ersten Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch sich nicht an dieses Thema gewagt. Reinhart Lochmann machte dabei gleich zu Beginn deutlich, dass es nach der Verfolgung und Ermordung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger kaum mehr Zeitzeugen gebe und man sich somit fast ausschließlich auf die steinernen Zeugen und schriftlich erhalten gebliebenen Unterlagen von vor 1940 stützen müsse.
Lochmann ging zunächst auf die jüdischen Bewohner in den früheren römischen Städtern vor allem entlang des Rheins ein. Dem folgte ab dem späteren Mittelalter die Besiedlung des ländlichen Raumes überall da, wo die die Grundherrschaften auf Grund der damit verbundenen Steuerabgaben dies genehmigten oder direkt betrieben. Nicht nur in Deutschland hatte es das ganze Mittelalter über Verfolgungen der jüdischen Bevölkerung gegeben, vor allem bei dem Ausbruch von schweren Krankheiten wie etwa der Pest. Auch war die Wahl der jüdischen Wohnungen in den Städten nicht selten auf gewisse Wohngebiete, die Ghettos, begrenzt. Der wirkliche Aufschwung begann für die jüdische Bevölkerung dann ab 1810 nach der “Judenemanzipation“, also der Gleichstellung der Juden, was in Baden etwa bis 1880 dauerte. Gerade in den Dörfern der Kreises, wo es schon jüdische Gemeinden gab, gab es für die nun nicht mehr benachteiligte jüdische Bevölkerungsgruppe einen sichtbaren Aufschwung.
Reinhart Lochmann machte aber auch deutlich, dass parallel zu der deutlichen Verbesserung der jüdischen Bevölkerung, der nun alle Berufe, Schulen und die Universitäten offen standen, ein meist unterschwelliger Antisemitismus einherging. Unterschieden sich die Juden doch in Sprache, religiöser Praxis und in ihren gesellschaftlichen Beziehungen zum Teil deutlich von ihrer christlichen Umwelt. Sie hatten ihren „Sonntag“ am Samstag, sprachen hebräisch im Gottesdienst und waren in vielen Berufen recht erfolgreich, was naturgemäß zu Neid führte. Dies machten sich politische Kreise zum Thema und schürten Antisemitismus. Man gab den Juden eine Mitschuld an der Niederlage im 1. Weltkrieg, unterstellte ihnen, die Welt beherrschen zu wollen und gab ihnen Schuld am wirtschaftlichen Niedergang der Weimarer Republik. Dies machten sich die Nazis auch und gerade in den ländlichen Gebieten zu Nutze und gingen nach der anfänglich betriebenen Ausweisung schließlich an die systematische Ermordung. Dabei schafften sie es, der Bevölkerung Glauben zu machen, dass die Angehörigen der jüdischen Religion eine eigene Rasse bildeten. Dass gerade auch im Neckar-Odenwald-Kreis jüdische Kinder rechtzeitig ins Ausland übersiedeln konnten, machten die Nazis zu einem einträglichen Geschäft.
Dass es seit dem Abtransport nach Gurs am 22. Oktober 1942 keine jüdischen Bewohner im Kreis mehr gibt, hat dazu geführt, dass jüdische Einrichtungen, soweit sie nicht übernommen oder umgenutzt wurden, verfallen oder völlig verschwunden sind. So gibt es außer den baulichen Hüllen, die noch in Binau, Bödigheim, Eberstadt, Großeicholzheim oder Sennfeld vorhanden sind, keine Zeugen der reichen und jahrhundertelangen jüdischen Kultur in Odenwald und Bauland mehr. Durch die geschichtliche Aufarbeitung einiger weniger wie etwa Elmar Weiß oder Reinhart Lochmann, sind inzwischen einige Gedenktafeln und Ausstellungen eingerichtet worden, die die Erinnerung an diese schreckliche Geschichte wachhalten sollen. Dies wurde in der sehr lebhaften Diskussion deutlich und man dankte dem Referenten Reinhard Lochmann ausdrücklich für seine Aufarbeitung dieses Teil der Geschichte, die eben auch zum Neckar-Odenwald-Kreis gehört.


Gut angenommen wurde von vielen Zuhörern das Vortragsangerbot von Reinhart Lochmann zum Thema „Jüdisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis. Das Foto zeigt den AG-Vorsitzenden Wilfried Nies (stehend) und (v.r.) Heide Lochmann, Reinhart Lochmann, Hildgund Beichert und Gerd Teßmer.

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